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Cannabis bzw. Cannabis-basierte Medikamente finden immer mehr Einzug in der Gesundheitsversorgung. Aktuell wird auch der Einsatz von exogenen Cannabinoiden in der Therapie psychischer Erkrankungen, wie der Schizophrenie, stärker diskutiert und untersucht. Ausgangspunkt dafür ist die Beobachtung, dass das Endocannabinoid-System im menschlichen Körper an vielfältigen physiologischen Funktionen (Gedächtnisleistung, Schmerzwahrnehmung, Stressantwort etc.) beteiligt ist und bei PatientInnen mit psychischen Erkrankungen verändert zu sein scheint.1 Trotz dieser Erkenntnisse gibt es ein gewisses Unbehagen gegenüber dem möglichen Einsatz von Cannabinoiden in der Schizophrenie-Therapie und das nicht zu Unrecht: Denn schließlich gilt der Konsum von Cannabis und anderen psychoaktiven Substanzen als ein nachgewiesener Risikofaktor für die Entstehung einer Schizophrenie!2 Zudem ist der Konsum von Cannabis bei PatientInnen mit Schizophrenie ohnehin weit verbreitet – mit all den negativen Folgen wie Verschlimmerungen psychotischer Symptome sowie kognitiver Defi-zite.3 Wieso sollte man dieses Konsumverhalten noch „indirekt“ unterstützen? Trotz dieser Einwände spricht dennoch einiges dafür, dass sich der Gebrauch von Cannabinoiden auch hier als nützlich erweisen könnte
Cannabis ist die in Europa am häufigsten konsumierte illegale Substanz3 und von zahlreichen Mythen und Missverständnissen umrankt. Obwohl der Gebrauch medizinisch verordneter Cannabispräparate auch in Deutschland zunimmt, stehen viele Menschen dieser Entwicklung erst einmal skeptisch gegenüber. Dahinter können beispielsweise Vorurteile sowie falsche Vorstellungen von der Verwendung von Cannabispräparaten in der Medizin stecken. Im psychiatrischen Bereich ist diese Skepsis häufig sogar stärker ausgeprägt, da Cannabiskonsum das Risiko für Psychosen erhöhen kann. Der Zusammenhang ist klar: Je höher der Konsum, desto höher ist auch die Erkrankungs-wahrscheinlichkeit.2
Entscheidend ist jedoch, welche Inhaltsstoffe von Cannabis in der Medizin verwendet werden. Die beiden wichtigsten neuroaktiven Bestandteile von Cannabis sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD):
Für den möglichen Einsatz in der Schizophrenie-Therapie könnten daher vor allem CBD-Präparate interessant sein.
Wie sieht die Studienlage aus?
Erste Berichte zur antipsychotischen Wirksamkeit von CBD bei gesunden Freiwilligen wurden bereits 1982 publiziert.6 Diese ersten positiven Erfahrungen konnten in Tiermodellen, Fallberichten und kleineren Pilotstudien bei PatientInnen mit Schizophrenie bestätigt werden.7 In den vergangenen Jahren wurden mehrere Studien zu diesem Thema durchgeführt, darunter von:
Leweke et al. 20128
McGuire et al. 20189
Boggs et al. 201810
Hallak et al. 201011
Die widersprüchliche Datenlage kann eventuell auf die verschiedenen Dosierungen in den Studien zurückgeführt werden.3 Zudem ist es denkbar, dass der Wirkeffekt von CBD von der Erkrankungsdauer oder dem Alter der PatientInnen abhängt.
Fazit
Die Evidenz aus Studien zum Einsatz von Cannabispräparaten in der Therapie der Schizophrenie ist aktuell noch unzureichend. Es bedarf weiterer, größer angelegter Studien, idealerweise mit randomisiertem kontrolliertem Studiendesign, um zu klären, ob die Anwendung von CBD-Präparaten in diesem Bereich sinnvoll sein kann. Hilfreich dabei wäre, Vorurteile und Berührungsängste gegenüber Cannabis und seinen Inhaltsstoffen so weit abzubauen, dass Studien dieser Art in größerem Format stärker gefördert werden können. Die mögliche Legalisierung von Cannabis in Deutschland könnte diese Entwicklung zusätzlich unterstützen.
Information:
Endocannabinoidystem und Schizophrenie3
1. Müller J, Rohleder C. Cannabis in der Psychiatrie. Psychopharmakotherapie 2020;27:128-140.
2. Lammer E et al. Schizophrenie Überblick zu einer der schwerstwiegenden psychiatrischen Erkrankungen. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie. 2018;68:177-186.
3. Kuhn J et al. Therapeutischer Einsatz von Cannabis bei Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Nervenheilkunde 2022;41:20-26.
4. Rohleder C, Müller J. Pharmakologie von Cannabis und Cannabinoiden. Psychopharmakotherapie 2020;27:105-113.
5. Hahn B. The Potential of Cannabidiol Treatment of Cannabis Users with Recent-Onset Psycho-sis. Schizophrenia bulletin 2018;44:46-53.
6. Zuardi AW et al. Action of cannabidiol on the anxiety and other effects produced by delta-9-THC in normal subjects. Psychopharmacology. 1982;76:245-250.
7. Zuardi AW et al. A critical review of the anti-psychotic effects of cannabidiol: 30 years of a transitional investigation. Curr Pharm Des. 2012;18:5131-5140.
8. Leweke FM et al. Cannabidiol enhances anandamide signaling and alleviates psychotic symptoms of schizophrenia. Trans Psychiatry. 2012;2:e94.
9. McGuire P et al. Cannabidiol (CBD) as an djunctive Theraqpy in Schizophrenia: A Multicenter Randomized Controlled Trial. The American Journal of psychiatry. 2018;175:225-231.
10. Boggs DL et al. The effects of cannabidiol (CBD) on cognition and symptoms in outpatients with chronic schizophrenia a randomized placebo controlled trial. Psychopharmacology. 2018;235:1923-1932.
11. Hallak et al. Performance of schizophrenic patients in the Stroop Color Word Test and electro-dermal responsiveness after acute administration of cannabidiol (CBD). Revista brasileira de psiquiatria. 2010;32:56-61.