Frühe Intervention kann Negativsymptome verbessern

Negativsymptome sind ein belastender und manchmal übersehener Aspekt der Schizophrenie. Prof. Merete Nordentoft (Universität Kopenhagen, Dänemark) stellte am EPA-Kongress 2020 die neuen EPA-Richtlinen zu Diagnose und Behandlung und deren Bedeutung im Zusammenhang mit einer ersten klinischen Episode vor. Lesen Sie hier den Symposiumsbericht.

 

Die neuen EPA-Richtlinien zur Diagnose und Behandlung von Negativsymptomen sollen dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf diesen belastenden und manchmal übersehenen Aspekt der Schizophrenie zu lenken. Die Bedeutung der neuen EPA-Richtlinien im Zusammenhang mit einer ersten psychotischen Episode wurde am EPA Kongress 2020 von Merete Nordentoft (Universität Kopenhagen, Dänemark) vorgestellt.

In den neuen EPA-Richtlinien werden die folgenden Empfehlungen mit Evidenzlevel B genannt:

  • Für die Beurteilung von Negativsymptomen im klinischen Kontext wird die "zweite Generation" der Brief Negative Symptom Scale (BNSS) und das Clinical Assessment Interview for Negative Symptoms (CAINS) empfohlen. Ihre psychometrischen Eigenschaften sind gut und decken alle Negativsymptom-Bereiche ab.
  • Es sollte ein Training der Sozialen Fähigkeiten angeboten werden. Bei Patienten, die auch kognitive Symptome aufweisen, kann auch eine Kognitive Remediationstherapie in Betracht gezogen werden.
  • Körperliches Training sollte als Teil eines integrierten Behandlungsplans betrachtet werden, der auf die Verbesserung der körperlichen Gesundheit abzielt.

Die fünf Bereiche der Behinderung

Die hauptsächlichen Negativsymptome sind emotionale Abstumpfung, Alogie, Avolition, Asozialität und Anhedonie. Sie treten bei bis zu 60% der Schizophrenie-Patienten klinisch relevant auf 1. Interessanterweise sind Männer stärker von Negativsymptomen betroffen als Frauen 2

  • Laut der kürzlich von Correll et al. durchgeführten Metaanalyse auf Basis von zehn randomisierten Studien verringert eine frühere Intervention - im Vergleich zur üblichen Behandlung - den Schweregrad der negativen und der positiven Symptome signifikant und verbessert gleichzeitig das funktionelle Ergebnis 3.

Negativsymptome sind häufig unsichtbar und den Angehörigen schwer zu erklären

Das Problem gemäss Professor Nordentoft ist: Negativsymptome sind häufig unsichtbar, Familienmitgliedern schwer zu erklären und können leicht als Faulheit oder mangelnder Wille fehlinterpretiert werden. Sie werden durch bestehende Therapien oft schlechter kontrolliert als Positivsymptome. In einer Kohorte von 496 Patienten mit einer ersten psychotischen Episode berichteten 47% der Patienten eine Verbesserung der Positivsymptome, während die Negativsymptome nur bei 28% der Patienten verbessert wurden4.

Um den Nutzen zu erhalten, muss die Intervention ausgeweitet werden

Es ist möglich, negative Symptome wirksam zu behandeln

Trotzdem können negative Symptome gemäss Dr. Nordentoft wirksam behandelt werden. Neben anderen Studien belegt beispielsweise das dänische OPUS-Programm den Nutzen eines Assertive Community Treatments (ACT) - einschließlich Psychoedukation und einem Training der sozialen Fähigkeiten - bei Patienten mit einer ersten psychotischen Episode5. Am Ende der zweijährigen intensiven Interventionsphase zeigte sich ein positiver Einfluss auf die negativen Symptome.

Leider liess dieser positive Einfluss mit der Zeit nach und war nach fünf oder zehn Jahren nicht mehr nachweisbar. Ein positiver Unterschied zur "Usual-Care"-Kontrollgruppe, die betreute Unterbringung benötigen, war aber weiterhin gegeben6. Das allgemeine Nachlassen des Nutzens unterstreicht die Notwendigkeit einer intensiven Betreuung von Patienten mit einer ersten Episode - und zwar über zwei Jahre hinaus. 

Die Highlights des Symposiums, die hier zusammengefasst wurden, sollen die präsentierten wissenschaftlichen Inhalte objektiv wiedergeben. Die auf dieser Seite geäusserten Ansichten und Meinungen stimmen nicht unbedingt mit denen von Lundbeck überein.

Referenzen

  1. Correll  CU, Schooler NR. Neuropsychiatr Dis Treat 2020;16:519-34
  2. Thorup A, et al. J Nerv Ment Dis 2007;195:396-405
  3. Correll CU et al. JAMA Psychiatry 2018;75:555–65
  4. Austin SF, et al. Schiz Res 2015;168:84-91
  5. Bertelsen M, et al. Arch Gen Psych 2998;65:762-71
  6. Secher RG, et al. Schiz Bull 2015;41:617-26