Früher Einsatz langwirksamer Injektionspräparate im Fokus

Langwirksame Antipsychotika werden noch zu häufig erst in einem späten Stadium einer Schizophrenie-Erkrankung angewendet. Dr. Eric Achtyes legte am virtuellen ECNP-Kongress 2020 dar, warum der Einsatz bereits bei Patienten mit einer ersten psychotischen Episode oder im Frühstadium der Erkrankung erwogen werden sollte. Ein Symposiumsbericht.

Langwirksame, injizierbare Antipsychotika (Depot-Therapien, engl. LAI) werden noch zu häufig erst in späten Stadien der Schizophrenie eingesetzt, sollten aber ebenfalls Patienten mit einer ersten psychotischen Episode sowie Patienten im Frühstadium angeboten werden. Eric Achtyes (Michigan State University, Grand Rapids, USA) präsentierte am virtuellen ECNP-Kongress 2020 klinische Erkenntnisse und neue, ermutigende Daten aus einer aktuellen US-Studie.

Im Vergleich zur aktuellen Standardtherapie kann der Einsatz eines langwirksamen, injizierbaren Antipsychotikums (LAI) in der Schizophrenie-Frühphase die Zeit bis zur ersten Krankenhauseinweisung erheblich verzögern. Das zeigen die Ergebnisse einer kürzlich in den USA durchgeführten, cluster-randomisierten klinischen Studie1. 39 psychiatrische Zentren in 19 US-Bundesstaaten wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Behandlungsstrategien randomisiert: Die Studiengruppe nutzte eine klinikinterne Empfehlung zum Einsatz von LAI bei Schizophrenie-Patienten, die Kontrollgruppe führte die Behandlung gemäss "usual care" durch (diese konnte ebenfalls den Einsatz eines LAI beinhalten).

Förderung und Einsatz eines LAI bringt signifikante Vorteile

Wurden die Patienten in den Zentren der Studiengruppe zur Anwendung eines LAI ermutigt, betrug die mittlere Zeit bis zum ersten Krankenhausaufenthalt (primärer Endpunkt) 614 Tage. In der Kontrollgruppe dauerte es im Durchschnitt 531 Tage bis zum ersten Krankenhausaufenthalt. Die Number Needed to Treat (NNT) zur Vermeidung eines weiteren Krankenhausaufenthalts betrug 7. Die Behandlung in einem Zentrum, in dem der Einsatz eines LAI empfohlen wurde, ging mit einer um 44% verringerten Inzidenzrate für einen ersten Krankenhausaufenthalt und einer um 36% verringerten Gesamthospitalisierungsrate einher, berichtete Dr. Achtyes.

Die verminderten Krankenhausaufenthalte in Zentren, die den Einsatz von LAI fördern, helfen den Patienten und senken die Gesundheitskosten.

Hinsichtlich der Akzeptanz eines LAI wies er darauf hin, dass nur 14% der Patienten, die beim Erstscreening als für die Studie geeignet eingestuft wurden, ein solches grundsätzlich verweigerten. 91% der nach dem Screening infrage kommenden Patienten erhielten mindestens eine LAI-Injektion.   

Implikationen und Erkenntnisse für die Praxis

Ein Rückfall kann verheerende Folgen auf den Krankheitsverlauf, die Therapieresistenz und die Funktionsfähigkeit haben sowie die Lebensqualität vermindern2,3.  Ein häufiger Grund für einen Rückfall ist schlechte Therapieadhärenz4. Gemäss Dr. Achtyes sollten verschreibende Ärzte LAI daher verstärkt und möglichst früh im Krankheitsverlauf in Betracht ziehen.

Patienten und ihren Familien sollte ein solides Verständnis für die Rolle einer schlechten Therapietreue bei Rückfällen vermittelt und die Gründe für die Verwendung eins LAI vorgestellt werden. Rollenspiele seien ein hilfreiches Instrument, solche Gespräche zu üben. Sie helfen auch, die Behandlungsziele für die Patienten im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zu ermitteln. Für junge Menschen sind Ausbildung, Arbeit und Beziehungen besonders wichtig - je gesünder sie bleiben, desto besser können sich in diesen Bereichen verwirklichen. Eine zuverlässige Medikation sei ein wichtiger Teil davon, so Dr. Achtyes. 

Hören Sie zu diesem Thema auch den Podcast "Do long-acting injectable antipsychotics have a role in early-phase schizophrenia?" von Progress in Mind (englisch).

Die Akzeptanz der Patienten von LAI erwies sich als gut

Eine Analyse von 33 Gesprächen zwischen Psychiatern und Schizophrenie-Patienten, in denen der Einsatz von LAI diskutiert wurde, ergab: 91% der Inhalte bezogen sich auf die Modalitäten der Behandlung und nur 9% auf deren Nutzen5. Es überrascht nicht, dass so nur ein Drittel der Patienten die Behandlung mit einem LAI akzeptierte. Eine anschließende Befragung der Patienten, bei der die Möglichkeit einer Therapie mit LAI positiver dargestellt wurde, führte bei 96% der Patienten zur Bereitschaft, ein LAI auszuprobieren. Unsere Berufsgattung könnte es also durchaus besser machen, erklärte Dr. Achtyes. (Mehr hierzu erfahren Sie auch in unserem Blogbeitrag "Nutzen Sie die Möglichkeiten zur Verbesserung des funktionalen Ergebnisses".)

Dieses Symposium im Rahmen des virtuellen ECPN-Kongresses 2020 wurde von Otsuka Pharmaceutical Europe Ltd und H. Lundbeck A/S finanziell unterstützt.

Die Highlights des Symposiums, die hier zusammengefasst wurden, sollen die präsentierten wissenschaftlichen Inhalte objektiv wiedergeben. Die auf dieser Seite geäusserten Ansichten und Meinungen stimmen nicht unbedingt mit denen von Lundbeck überein.

Der Inhalt dieser Seite gibt nicht zwingend die Meinung des ECNP wieder.

Referenzen

1. Kane JM et al. JAMA Psychiatry2020Jul 15;e202076

2. Olivares JM et al. Ann Gen Psychiatry 2013;12:32 

3.  Emsley R et al. Schizophr Res 2013;148:117-21

4. Caseiro O et al. J Psychiatr Res 2012;46:1099-1105

5. Weiden PJ et al. J Clin Psychiatry 2015;76:684-90.