Schwangere Migränepatientinnen: Wie betreuen?

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Der Bauch wächst, der Kopf dröhnt – oder nicht?

Eine Schwangerschaft stellt alles auf den Kopf – das gilt insbesondere für Migränepatientinnen. Zwar ist die Migräne kein Grund, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden, jedoch benötigen Migränepatientinnen in anderen Umständen eine besondere Betreuung. Finden Sie hier 4 Tipps zum Umgang mit schwangeren Migränepatientinnen.

Familienplanung mit Migräne: ein Fünftel entscheidet sich dagegen

Von Migräne sind insbesondere junge Frauen im gebärfähigen Alter betroffen.1 Die meisten Frauen kommen im Laufe ihres Lebens an den Punkt, an dem das Thema Familienplanung eine Rolle spielt. Einer US-Studie zufolge entscheiden sich jedoch rund 20 % der jungen Migränepatientinnen aufgrund ihrer Diagnose bewusst gegen eine Schwangerschaft – aus Angst vor einer Verschlimmerung der Attacken, vor Problemen in der Schwangerschaft oder aus Sorge, der Elternrolle nicht gerecht werden zu können.2 Viele dieser Befürchtungen basieren jedoch auf Mythen oder Halbwahrheiten. Zwar kann beispielsweise die Häufigkeit der Migräneattacken im 1. Trimester zunehmen, sie nimmt aber in der Regel im weiteren Verlauf der Schwangerschaft wieder ab.1,3

 

Migräne und Schwangerschaft: wie hängen sie zusammen?

Migräneattacken während einer Schwangerschaft können für jede Schwangere anders ausfallen: Einerseits können sich Attacken grundsätzlich reduzieren, andererseits können sich diese aber auch verstärken.3 Hier bedarf es einer guten Betreuung durch das Behandlungsteam – nicht zuletzt auch, weil eine Schwangerschaft bei Migränepatientinnen oftmals mit mehr Risiken behaftet ist als bei gesunden Frauen. So konnte gezeigt werden, dass das Risiko für Komplikationen wie z. B. schwangerschaftsbedingte Bluthochdruckstörungen bei bestehender Migräne höher ist.4

 

Die Hormone fahren Achterbahn

Hormone wie Östrogen und Progesteron spielen besonders in der Schwangerschaft sowie nach der Geburt eine nicht zu unterschätzende Rolle.5 Während der Schwangerschaft steigen Östrogen- und Progesteronspiegel stark an, um nach der Geburt schnell wieder zu sinken.6 Dies kann dazu führen, dass sich die Migräneattacken reduzieren bzw. ganz verschwinden, bei manchen Patientinnen verstärken sie sich aber auch.3

Auch Stillen kann möglicherweise einen positiven Effekt auf Migräne haben, wenngleich es dazu nur wenige Daten gibt.3 Ein möglicher Erklärungsansatz: stillende Frauen haben keine Menstruation und verfügen daher über einen relativ stabilen Hormonspiegel.3 Eine aktuellere Untersuchung wiederum legt nahe, dass Migräne während des Stillens wieder auftreten kann.7

 

Alles eine Frage der Betreuung

Sowohl während der Schwangerschaft als auch danach lassen sich Migräneattacken und ihre Begleitsymptome gut behandeln. Somit besteht kein Grund, sich aufgrund der Migräne pauschal gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden. Dennoch gibt es einige Aspekte, die beachtet werden sollten, damit Mutter und Kind nicht unnötig gefährdet werden. Migränepatientinnen mit Kinderwunsch sollten deshalb umfassend aufgeklärt sowie während der Schwangerschaft intensiver betreut werden.

In einem Konsensus-Statement8 haben führende Migräneexpert:innen einen „10-Punkte-Plan“ formuliert, in welchem sie Empfehlungen zu Diagnose, Therapie und Management der Migräne aufführen. Besonders betonen sie dabei die Patientenzentriertheit der Migränetherapie: Nur eine individuell auf den Patienten oder die Patientin abgestimmte Therapie, bei welcher Lebensumstände, Alter, Geschlecht etc. berücksichtigt werden, kann laut den Expert:innen von dauerhaftem Erfolg gekrönt sein.8

 

   4 Tipps zum Umgang mit schwangeren Migränepatientinnen

  1. Eine gute Betreuung sollte bereits vor der Schwangerschaft ansetzen. Klären Sie Ihre Migränepatientinnen mit Kinderwunsch unbedingt über potenzielle Risiken auf.
  2. Eine Schwangerschaft ist eine besondere Situation, die bei vielen Frauen nicht nur mit Freude, sondern auch mit Ängsten einhergehen kann. Nehmen Sie die Sorgen Ihrer Patientinnen ernst und haben Sie ein offenes Ohr für sie.
  3. Im Rahmen einer interdisziplinären Versorgung ist es sinnvoll, andere Fachärzt:innen einzubeziehen. Stimmen Sie sich daher mit den sonstigen behandelnden Fachärzt:innen, z. B. aus den Bereichen Neurologie und Gynäkologie, ab.
  4. Migräneattacken können im Rahmen der Schwangerschaft dynamisch sein.3 Sensibilisieren Sie Ihre Patientinnen hierfür. So lässt sich ein „böses Erwachen“ vermeiden.

Referenzen

  1. Goadsby PJ et al. Migraine in pregnancy. BMJ 2008; 336: 1502–4.
  2. Ishii R et al. Migraine Headaches and Family Planning: What We Think We Know. Mayo Clin Proc 2020; 95: 2079–89.
  3. Kvisvik EV et al. Headache and migraine during pregnancy and puerperium: the MIGRA-study. J Headache Pain 2011; 12: 443–451.
  4. Skajaa N et al. Pregnancy, Birth, Neonatal, and Postnatal Neurological Outcomes After Pregnancy With Migraine. Headache 2019; 59: 869–879.
  5. Silberstein SD & Merriam GR. Sex hormones and headache. Pain Symptom Manage. 1993; 8(2): 98-114.
  6. Sacco S et al. Migraine in women: the role of hormones and their impact on vascular diseases. J Headache Pain 2012; 13(3): 177-89.
  7. Lucas S. Migraine and Other Headache Disorders: ACOG Clinical Updates In Women's Health Care Primary and Preventive Care Review Summary Volume XVIII, Number 4. Obstet Gynecol 2019; 134: 211.
  8. Eigenbrodt AK et al. Diagnosis and management of migraine in ten steps. Nat Rev Neurol 2021; 17(8): 501-514.