Nach Schätzungen der WHO stirbt alle 40 Sekunden ein Mensch durch Suizid1 – jährlich macht daher der Welttag der Suizidprävention am 10. September auf dieses weiterhin große Gesundheitsproblem aufmerksam: Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit etwa 800.000 Menschen pro Jahr durch Suizid versterben.1,2 Als einer der größten Risikofaktoren für Suizid gilt die Diagnose einer psychischen Erkrankung wie zum Beispiel Schizophrenie3,4 Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Denn trotz der Komplexität suizidalen Verhaltens sind Suizide prinzipiell vermeidbar. Insbesondere Suizidversuche in der Vergangenheit sind stark assoziiert mit zukünftigem suizidalem Verhalten.5 Hier kann die gezielte Adressierung von Risikofaktoren und Förderung protektiver Ressourcen helfen.
Eine Schizophrenieerkrankung kann Suizidalität steigern: Etwa 10 Prozent der Betroffenen unternehmen innerhalb eines Jahres nach der Diagnose einen Suizidversuch6, in der Folge versterben bis zu 15 Prozent der Menschen mit Schizophrenie. Der Suizidversuch endet bei Patienten mit Schizophrenie im Vergleich zu Patienten mit anderen psychischen Erkrankungen häufiger tödlich.
Für eine bessere Suizidprävention bei Schizophrenie
Die aktuelle S3-Leitlinie Schizophrenie zählt demographische und klinische Faktoren auf, die sich als relevante Prädiktoren suizidalen Verhaltens bei Menschen mit einer Schizophrenie erwiesen haben und in der Einschätzung der Suizidalität berücksichtigt werden sollten (siehe Infobox).
Welche Prädiktoren gibt es für suizidales Verhalten bei Patienten mit Schizophrenie?⁶
- Depressive Symptome und vorherige Suizidversuche
- Schwere der Erkrankung, insbesondere Halluzinationen und Denkstörung
- Unbehandelte Erkrankung
- Panikattacken, Agitiertheit, Schlafstörungen und Angstsymptomatik
- Inadäquate antipsychotische Medikation
- Vorhandensein medikamenteninduzierter Akathisie
- Geringe Adhärenz
- Wiederholte kurze Krankenhausaufenthalte
- Substanzmissbrauch/Substanzabhängigkeit
- Frühe Erkrankungsstadien (v.a. Ersterkrankung)
- Belastende Lebensereignisse
- Geringe soziale Unterstützung, fehlende Partnerschaft, soziale Isolation
- Entlassung aus der stationären Behandlung
- Erlebte Stigmatisierung
Die Autoren der Leitlinie sprechen sich im Konsens für eine kontinuierliche Einschätzung von suizidalen Gedanken, Plänen und suizidalem Verhalten aus.6 Symptome, die mit dem Auftreten von Suizidgedanken oder selbstverletzendem Verhalten verbunden sind, wie zum Beispiel imperative Stimmen, Verfolgungsängste, depressive Symptome und Angstzustände, sollen auf mögliche Auswirkungen auf das Auftreten von Suizidgedanken oder selbstschädigendes Verhalten hin überprüft werden. Patienten mit Suizidrisiko sollten offen und empathisch darauf angesprochen und die Häufigkeit der Gesprächskontakte intensiviert werden.
Antipsychotika zur Senkung des Suizidrisikos
Suizide sind bei Schizophrenie und darüber hinaus vermeidbar. Neben dem Monitoring der Risikofaktoren, kann auch der Einsatz von Antipsychotika dabei helfen, das Suizidrisiko bei Schizophrenie zu senken: So konnte eine Studie zeigen, dass die Einnahme lang wirksamer Depot-Antipsychotika bei Patienten mit neu diagnostizierter Schizophrenie im Vergleich zur Therapie mit oralen Antipsychotika das Risiko für Suizidversuche senken kann (Inzidenzratenverhältnis: 0.72; 95 %-Konfidenzintervall (KI): 0,55-0,93).7 Bei Patienten, die innerhalb der ersten zwei Jahre nach Beginn der Behandlung mit oralen Präparaten auf lang wirksame Depot-Antipsychotika umgestellt wurden, wurde ein um 47 Prozent geringeres Suizidmortalitätsrisiko (bereinigte Hazard Ratio: 0,53; 95 %-KI: 0,30-0,92) beobachtet.7 Daher sollte nach Auffassung der Studienautoren der Einsatz von Depot-Antipsychotika in der Frühphase der Behandlung berücksichtigt und gefördert werden.7